Mikrounangemessenheiten in der Pflege

Veröffentlicht von mobiler Pflegedienst am

Mikrounangemessenheiten in der Pflege – Achtsamkeit, Würde und Kommunikation

Mikrounangemessenheiten – die kleinen Dinge, die so schwer wiegen

Willkommen bei Sicht Weise – mit Anette Pelzer.
Heute geht es nicht um Fehler, sondern um Feinheiten.
Nicht um Skandale, sondern um Zwischentöne.
Um das, was still passiert – und trotzdem laut wirkt.

💬 Was sind Mikrounangemessenheiten?

Mikrounangemessenheiten sind diese winzigen, oft unbewussten Verhaltensweisen, die in der Pflege mehr bewirken, als man denkt:
ein Augenrollen, ein Seufzer, ein Kommentar zwischen Tür und Angel.

„Na, schon wieder geklingelt?“

Kein Protokoll-Fehler. Kein Skandal.
Aber eine kleine Wunde im Gefühl.

Sie sind subtil – und deshalb gefährlich.
Denn nicht der einzelne Moment zählt, sondern die Summe.
Wie Tropfen auf Stein. Wie feine Risse im Glas.

🩺 Warum sie in der Pflege so bedeutsam sind

Pflege lebt von Nähe, Beziehung und Würde.
Diese Mikrogesten entscheiden, ob jemand sich aufgehoben oder ausgeliefert fühlt.

Kleine Beispiele, große Wirkung:

  • In einer Teamsitzung wird jemand ständig unterbrochen → „Deine Stimme zählt nicht.“

  • Eine Kollegin wird mit einem Scherz über ihr Aussehen begrüßt → Humor auf Kosten von Respekt.

  • Ein Bewohner wird als „der mit den Sonderwünschen“ bezeichnet → Rollenzementierung statt Individualität.

  • Eine Pflegekraft stöhnt bei bestimmten Aufgaben → kein Wort, aber jeder hört die Botschaft.

Jede Szene für sich harmlos – in Summe zerstörerisch.

🌱 Poetisch-psychologische Deutung

Ich nenne sie: Risse im Glas des Miteinanders.

Ein Glas zerbricht nicht sofort.
Es bekommt erst Linien.
Fein, fast unsichtbar.
Aber sie schwächen das Ganze.

So entstehen in Teams Mikrorisse – im Vertrauen, im Selbstwert, in der Kultur.
Und Pflege braucht stabile, klare, mitfühlende Verbindungen.

Wir vergessen, was gesagt wurde – aber nie, wie wir uns gefühlt haben.

🔍 Reflexion für den Alltag

1️⃣ Wann habe ich selbst zuletzt etwas gesagt oder getan, das klein wirkte – aber verletzte?
2️⃣ Wie gehe ich um, wenn mich solche Zwischentöne treffen? Schweige ich – oder spreche ich behutsam an, was war?
3️⃣ Was brauche ich, um achtsam zu handeln, ohne Schuld, aber mit Bewusstsein?

Pflege ist mehr als Tun.
Sie ist Beziehung – und Beziehung entsteht in Sprache, Blick und Haltung.

💎 Schlussgedanke

Mikrounangemessenheiten sind wie kleine Kiesel im Schuh.
Einer stört kaum. Viele machen den Weg schmerzhaft.

Wenn wir lernen, auf diese leisen Dinge zu achten, entsteht ein Raum von Würde, Respekt und Miteinander.
Ein Raum, in dem Pflegekräfte sich sicher fühlen.
Patient:innen sich verstanden fühlen.
Und Teams wachsen können.

Denn am Ende entscheidet nicht das Große –
sondern das Kleine.

🎧 Podcast hören:
Sicht Weise – mit Anette Pelzer
🎙️ Folge: Mikrounangemessenheiten – Die kleinen Dinge, die so schwer wiegen

💥 FAQ – Die unbequemen Fragen zu Mikrounangemessenheiten

Warum reden wir in der Pflege lieber über Fehlerquoten als über Tonfall?
Weil Zahlen einfacher sind als Gefühle. Eine Sturzstatistik ist messbar. Ein Augenrollen nicht. Und doch bricht beides Vertrauen – nur auf unterschiedlichen Wegen.

Ist ein Seufzer wirklich so schlimm?
Ja. Wenn du ihn jeden Tag hörst, wird er zur Botschaft: „Du störst.“ Ein Seufzer kann kälter sein als ein offener Konflikt. Er sagt alles – ohne ein Wort.

Warum verteidigen viele ihr Verhalten mit „War doch nicht böse gemeint“?
Weil Verantwortung weh tut. Doch gute Absichten heilen keine Wunden. Wirkung zählt, nicht Bequemlichkeit.

Wieso schweigen so viele, wenn sie verletzt werden?
Aus Angst. Vor Reaktionen, vor Isolation, vor „stell dich nicht so an“. Schweigen schützt kurzfristig – zerstört langfristig.

Sind Mikrounangemessenheiten wirklich ein Führungsthema?
Absolut. Wenn Führungskräfte sie ignorieren, werden sie Teil davon. Haltung ist keine Kür, sondern Pflicht.

Kann ich selbst Teil des Problems sein – obwohl ich’s gut meine?
Ja. Wir alle sind es manchmal. Niemand ist immer achtsam. Aber Achtsamkeit beginnt genau hier: beim Erkennen, dass du es sein könntest.

Was passiert, wenn man diese kleinen Dinge einfach laufen lässt?
Dann stirbt Kultur. Langsam, leise, unspektakulär. Bis niemand mehr merkt, wann Mitgefühl Routine wurde – und Routine Herz ersetzt hat.

Was ist schlimmer: ein grober Fehler oder eine dauerhafte Mikrounangemessenheit?
Der grobe Fehler lässt sich korrigieren. Die kleine Unangemessenheit frisst sich ein – Tag für Tag. Unsichtbar, aber tödlich für Teamgeist.

Und wenn ich das alles lese und mich ertappt fühle?
Dann bist du genau die Person, die es besser machen kann. Nicht mit Schuld, sondern mit Bewusstsein.


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