Sterbebegleitung – eine Altenpflegerin erzählt

Veröffentlicht von mobiler Pflegedienst am

Thema Sterbebegleitung - Fluch oder Segen

Thema Sterbebegleitung – Fluch oder Segen

Einleitung

Das erste Mal Sterbebegleitung war eine Erfahrung, die alles veränderte. Es war ein Moment der Extreme, von tiefen Emotionen überwältigt und dennoch erfüllt von einer seltsamen Ruhe. Ein Moment, in dem ich in die Augen meiner sterbenden Kollegin sah und den Tod in seiner reinsten Form spürte. Diese letzte Begleitung war ein Fluch und doch auch ein Segen zugleich, denn ich hatte die Chance, jemanden in seinem letzten Moment zu begleiten und ihm Frieden zu schenken. Ich habe gelernt, dass der Tod letztlich auch eine Form der Freiheit ist. Eine Chance für den Geist und die Seele, sich von den Schmerzen des Lebens zu befreien und in eine andere Welt zu reisen. Doch in dieser Welt hinterlässt er eine Kluft, die nur durch Liebe und Respekt geschlossen werden kann. In diesem Moment der Sterbebegleitung habe ich die Kraft der menschlichen Verbindung gespürt und die Angst vor dem Tod abgelegt. Ein unvergesslicher Moment, der mich für immer prägen wird.

Und hier der Originaltext, unverändert  und so wie von der Verfasserin geschrieben

Das erste Mal

Sterbebegleitung, ein Fluch oder ein Segen?

Das Bild eines sterbenden Menschen kann sehr unterschiedlich sein. Diese Bilder können  unterschiedlich betrachtet und auch verarbeitet werden. Leider ist es in unserer Gesellschaft oftmals noch ein Tabuthema. Und es gibt wenige Menschen, die darüber offen reden können. Deswegen sind wir Dankbar, dass eine Kollegin sich dafür bereit erklärt hat dieses Erlebnis mit uns und Ihnen zu teilen. So ein Erlebnis, einen geliebten Menschen, auf seinen letzten Weg zu begleiten, kann auch befreiend sein. Wie?  darf/dürfen sie hier lesen:

Meine Arbeitskollegin, mit der ich über 10 Jahre zusammengearbeitet habe, erlag ihren langen Kampf gegen den Krebs. Heute hatte ich das erste Mal in meinem Leben, die Ehrenvolle Aufgabe, einen sterbenden Menschen, zu begleiten. Es war nicht geplant, ich wollte sie einfach nur besuchen. Ich kam ins Zimmer und sah sie mit aufgerissenem Mund und weit aufgerissenen Augen, die Pupille waren sehr klein, ihre Hände waren unruhig, als würde sie kämpfen. Nachdem ich ihre Hand nahm, diese gestreichelt habe und ihr dadurch eine aufrichtige Liebe und Zuwendung gab. Ich sagte ihr, dass alles gut wird. Ich habe ihr den Arm gestreichelt, das Gesicht. Dadurch habe ich versucht ihr Ruhe zu vermitteln. Mit einem getränkten Waschlappen habe ich ihr immer wieder die Lippen befeuchtet. Mit jeder weiteren Minute merkte ich, wie sie immer ruhiger wurde und entspannter. Während dieser zeit übermannte mich meine Emotionen. Nicht im negativen, sondern im positivem. Diese Liebe, die ich während dieser Begleitung verspürte, gab mir gleichzeitig eine emotionale Kraft und gleichzeitig das Gefühl zu vermitteln „Du darfst gehen, du darfst loslassen“. Während dieser ganzen Begleitung, war ich auf sie fokussiert. Nicht einen Momenthabe ich an mich Gedacht. Mein Ziel war es, ihr das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein. Um 17:50 ist sie dann verstorben.

In der Pflege gibt es einen „Brauch“, wenn jemand verstirbt, wird das /ein Fenster geöffnet, damit die Seele fliegen kann, wohin sie möchte. Dann werden die Augen geschlossen und unter dem Kinn ein Handtuchrolle gelegt, damit der Mund geschlossen bleibt.

Es flossen die Tränen, jedoch hat jeder einzelne im Raum, in diesem Augenblick, dem anderen Kraft gegeben. Ich und eine andere Arbeitskollegin haben durch einen Blickkontakt entschieden, die letzte Waschung vorzunehmen. Das war auch eine Situation, die mir tief in Erinnerung bleiben wird, wir haben ohne Worte kommuniziert nur mit unseren Blicken.

Die Angehörigen waren damit einverstanden, da es sie auch ein wenig überfordert hatte. Sie konnten aber jederzeit dazu kommen. Und genau das war es: jeder konnte, musste aber auch nicht. Wir haben sie zu zweit gewaschen und neue Kleidung angezogen. Dann haben wir sie richtig gebettet. Auf den Rücken, gut zugedeckt, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Als wir sie uns dann so anschauten, wirkte sie zufrieden, schmerzfrei, wie ein Engel. Dieses Erlebnis gab uns allen eine Erkenntnis, welches mein Leben verändert hat. Ich konnte abschließen mit meiner geliebten Arbeitskollegin. Es tut nicht so weh. Ich weiß das ich bis zum Schluss bei ihr war und damit meinen Respekt und Wertschätzung ihr dadurch signalisiert habe. Ich weiß für mich, dass ich keine Angst davor habe zu sterben, welches den Kampf im Alltäglichen Leben leichter erscheinen lässt.

Claudia


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